Deaktivierung bedeutet, dass man zunächst die im Lithium-Ionen-Batteriepack enthaltene Strommenge und Spannung entlädt (z. B. durch Eintauchen in Salzwasserlösung), bevor mit der Demontage des Batteriepacks begonnen werden kann. Bei großen Lithium-Ionen-Akkumulatoren wird diese Energie auch zurückgewonnen und kann ins (interne) Netz eingespeist werden.
Die Demontage ist aufgrund der Vielzahl verbauter Materialien in einem komplexen, fest verbauten und durch ein Gehäuse geschützten Batteriepack sowie verschiedene Designformen nur mit erheblichem Aufwand möglich. Zurzeit erfolgt dies daher im Wesentlichen manuell: Ablösen des Deckels, Entfernen der Elektronikbauteile, Ableiter, Kühlelemente und Isolierungen. Die so gewonnenen Kunststoff- und Metallteile einschließlich der Kupferleitungen werden über das gewöhnliche Wertstoffrecycling entsorgt. Die in Modulen verschweißten / verklebten einzelnen Batteriezellen werden für die weiteren Schritte voneinander gelöst. Sodann werden die demontierten Batteriezellen / ‑module in einem Schredder zerkleinert. Dieser Prozess muss aufgrund der hohen Reaktivität der in den Batteriezellen enthaltenen Komponenten unter Vakuum und Schutzgasatmosphäre (z. B. Ar, N2, Cos) in flüssigem Stickstoff oder in einer Wasser‑ / Salzlösung erfolgen, um heftige exotherme Reaktionen zu verhindern. Die dabei anfallenden toxischen und ätzenden Gase müssen aufgefangen und in nachgeschalteten Abluftanlagen gereinigt werden. In der Regel werden dann durch eine Vakuum-Destillation die leicht siedenden Bestandteile der Elektrolyte für eine potenziell weiterführende Verarbeitung zurückgewonnen.
Nach einer Trocknung werden die geschredderten Teile in die verschieden Rohstofffraktionen wie Stahl, Aluminium, Kupfer getrennt. Zurück bleibt die sog. Schwarzmasse, bestehend aus einem Gemisch aus Elektrodenmaterial, Bindemitteln, Additiven und Restbestandteilen des Elektrolyts. Sie enthält Kobalt‑, Mangan‑, Nickel‑, Lithium- und Grafitoxide, die man in pyrometallurgischen und hydrometallurgischen Prozessen abzutrennen versucht. Aufgrund der verwendeten Bindematerialien ist die Auftrennung der Schwarzmasse in die enthaltenen Rohstoffmaterialien schwierig. Durch den Einsatz von Lösungsmittel versucht man daher das Bindemittel herauszufiltern.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die geschredderten Materialien nach dem Schredderprozess einer thermischen Behandlung (Pyrolyse) zu unterziehen, um die Elektrolyte (organische Verbindung) und den fluorhaltigen Binder für das Kathoden- und Anodenmaterial zu entfernen und so die Ablösung der Schwarzmasse von der Elektrodenfolie zu erleichtern.
Die thermische Behandlung der Batteriezellen kann auch vor dem Schredderprozess erfolgen, um die in der Batteriezelle vorhandenen organischen Bestandteile pyrolytisch zu spalten, wobei auch die in den Zellen enthaltene Restenergie deaktiviert wird. Dies ermöglicht das Schreddern der Batteriezellen unter Umgebungsbedingungen.
Im Rahmen des Pyrometallurgie-Prozesses werden die Batteriezellen / ‑module direkt in einem Schachtofen bei Temperaturen von bis zu 1.500 Grad Celsius geschmolzen. Dabei verdampfen und verbrennen die organischen Bestandteile wie Kunststoffe, Binder und Elektrolyt unter Energieabgabe. Die entstehenden Gase wie CO2 sowie fluorhaltige Gase werden über eine nachgeschaltete Abgasanlage gereinigt. Die Metallverbindungen werden aufgeschmolzen und die Kobalt‑/Nickel- und Eisenverbindungen zu Metallen reduziert, wobei Aluminium und Grafit als Reduktionsmittel dienen. Die aufgeschmolzenen Metalle bilden dabei eine Legierung, die in einem weiteren hydrometallurgischen Schritt aufgetrennt werden muss.
Im hydrometallurgischen Prozess werden die aus den vorausgegangenen Recyclingschritten erhaltenen Bestandteile in die unterschiedlichen Rohstoffe separiert und gereinigt. Die aus dem pyrometallurgischen Prozess gewonnenen Bestandteile der Metalllegierung werden dabei in der Regel in Säure (z. B. Salz- oder Schwefelsäure) gelöst und durch Ausfäll‑ / Filter- oder Lösungsmittelextraktionsverfahren voneinander getrennt. Als Ergebnis erhält man Metallsalze mit einer hohen Reinheit. Die nicht löslichen Bestandteile (Binder und Grafit) werden abfiltriert. Bei der folgenden Lösungsmittel-Extraktion mittels einer organischen Säure werden die Metalle über eine Kationen-Austauschreaktion selektiv extrahiert. Dabei wird die unterschiedliche Löslichkeit der Metalle ausgenutzt. Durch Zugabe einer Reagenz (z. B. ‑OH), Verdampfung oder einer Änderung des pH‑Werts oder der Temperatur wird eine Niederschlagsreaktion erzeugt, was einen Feststoff in Lösung erzeugt. In einem letzten Schritt erfolgt dann die Rückgewinnung der Metalle durch Elektrolyse. Dabei scheiden sich die Metalle auf einer Kathode ab, indem durch Stromfluss eine Redoxreaktion erzwungen wird.
Ein weiteres Recyclingverfahren, das zurzeit erprobt wird, ist die elektrohydraulische Zerkleinerung. Hierbei werden die Batteriezellen zunächst in Wasser gegeben. Durch Stromimpulse wird eine Schockwelle erzeugt, die die einzelnen Bestandteile der Zellen abtrennt. Gehäuseteile, Elektrofolien, Separatoren sowie die Aktivmaterialien der Elektroden (Nickel‑ / Kobalt- und Manganoxid) werden dann durch Sieben und Flotation voneinander getrennt.
Die während der Recyclingprozesse gewonnenen Fraktionen (Abfallströme) werden in Hütten und ähnlichen Anlagen weiterverarbeitet. Die daraus entstehenden Stoffe können dann u. a. wieder in der Batterieproduktion als Sekundärrohstoff eingesetzt werden. Nicht weiter verwertbare Rückstände aus dem Recyclingprozess werden auf dafür vorgesehenen Deponien entsorgt.
Neben den eigentlichen Recyclinganlagen sind eine Reihe weiterer Anlagen notwendig, u. a. Abluftreinigungsanlagen, Förderbänder, Siebanlagen.
Schlussendlich ist nochmals darauf hinzuweisen, dass das Recycling großer Lithium-Ionen-Akkumulatoren sich noch im Anfangsstadium befindet und mit Hochdruck nach alternativen und effizienteren Methoden geforscht wird.
Mögliche Gefahren
Das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien ist nicht unproblematisch. Ihre Inhaltsstoffe sind sehr reaktionsfreudig und können zu einem Brand führen. Selbst im entladenen Zustand sind sie nicht ungefährlich. Ein Ereignis führt in der Regel zu einer selbstverstärkenden, chemischen exothermen Reaktion, bei der der notwendige Sauerstoff durch die chemische Reaktion zur Verfügung gestellt wird (Thermal-Runaway). Weitere zu erwartende Auswirkungen sind:
- Entstehung von brennbaren und toxischen Gasen
- schneller Brandverlauf und ‑ausbreitung
- erhebliche Schwierigkeiten, einen entstehenden Brand aufgrund der schnellen Brandentwicklung zu entdecken
- Freisetzung von Gefahrstoffen (Luft, Wasser, Boden)
- nicht bzw. nur schwer mit Wasser zu löschen
- begrenzte Effektivität von Brandbekämpfungsanlagen, insbesondere bei der Lagerung von Lithium-Ionen-Batterien mit hoher Leistung
Im Rahmen der derzeit möglichen Recyclingverfahren ist eine besondere Brandgefährdung insbesondere bei der Lagerung der zu recycelnden Batterien, der Demontage sowie dem Schredderprozess zu erwarten.
Jede mechanische Beschädigung (z. B. bei der Einlagerung oder Demontage), thermische Einwirkung oder auch nur die unsachgemäße Lagerung (z. B. zu hohe/zu niedrige Temperaturen), aber auch innere Beschädigungen in einer Batteriezelle (z. B. durch Produktionsfehler) kann zu inneren und äußeren Kurzschlüssen und damit einem Brand oder einer Explosion führen.
Aus diesem Grund gelten Lagerungen von Lithium-Ionen-Batterien als Gefahrgutlager, zumal sich bei einem Brand fluorhaltige und giftige Stoffe bilden. Der Schredderprozess stellt einen weiteren Gefahrenschwerpunkt dar, da dort die Batteriezellen unter Anwendung brachialer Gewalt zerstört werden, wodurch die reaktionsfreudigen Materialien freigesetzt werden und einen Brand oder sogar eine Explosion auslösen können.
Beim hydrometallurgischen Prozess ist die Brandgefahr im Vergleich zum pyrometallurgischen Prozess als geringer einzuschätzen, da keine hohen Temperaturen eingesetzt werden. Hier besteht eher ein Risiko durch die Aufbereitung des giftigen Abwassers.
Insgesamt ist für eine Gefahrenbewertung zu berücksichtigen, dass es sich derzeit im Wesentlichen um Pilotanlagen handelt, mit denen man mögliche Recyclingverfahren untersucht und erprobt. Für eine ökonomisch tragbare Recyclinganlage müssen diese Verfahren und Versuchsanlagen in eine industrielle Nutzung hochskaliert werden, was aus Erfahrung nicht unproblematisch ist, da die Skalierung zu den oben genannten Problemen führen kann.
Ferner ist bei einer Gefahrenbewertung nicht außer Acht zu lassen, dass bei einem Brand von Lithium-Ionen-Batteriezellen giftige und umweltgefährdende Stoffe und Gase zu erwarten sind, die neben einer Schädigung der Umwelt zu einer Gefährdung der Belegschaft oder eventueller Einsatzkräfte, z. B. Feuerwehr, führen können. Darüber hinaus stellen auch die Vielzahl und Menge der Chemikalien, die für die einzelnen Recyclingschritte bevorratet und verwendet werden, eine Gefahr dar.
Brände von Lithium-Ionen-Batterien sind nach bisherigen Erkenntnissen nicht oder nur unter größter Mühe durch die Feuerwehr zu löschen.
Mögliche Brandschutzmaßnahmen
Um eine Brandgefahr im Zuge des Recyclings großer Lithium-Ionen-Batterien und ‑module zu vermeiden oder im Schadenfall deren Folgen zu mindern, sind eine Reihe von Brandschutzmaßnahmen zu empfehlen.
Baulicher Brandschutz
Bei der Neuplanung einer Recyclinganlage für Lithium-Ionen-Batterien sollte der bauliche Brandschutz an erster Stelle stehen. Das heißt, die einzelnen Betriebsprozesse wie Lagerung, Demontage, Batteriezellenbearbeitung und ‑zerlegung sowie die Lagerung der zurückgewonnenen Rohstoffe sollten in jeweils eigenen brandschutztechnisch getrennten Komplexen oder zumindest Brandabschnitten untergebracht werden. Da eine entsprechende räumliche Trennung von Gebäuden für diese Prozessschritte üblicherweise nicht zu erwarten ist, sollte die Trennung durch feuerbeständige Komplextrennwände oder mindestens Brandwände gem. VdS 2234 Komplextrennwände / Brandwände3 erfolgen, um einen möglichen Brandüberschlag auf die benachbarten Gebäudeabschnitte zu verhindern. Besonderer Wert sollte darauf gelegt werden, dass alle notwendigen Öffnungen in diesen Wänden feuerbeständig geschützt sind und die Wände mindestens 50 cm über die Dachhaut des betreffenden Gebäudes geführt werden.
Soweit es betrieblich umsetzbar ist, sollte der Lagerbereich für die zu recycelnden Lithium-Ionen-Batterien in weitere kleinere Brandabschnitte unterteilt werden, um einen Brand möglichst auf den betroffenen Brandabschnitt begrenzt zu halten.4
Eine weitere Maßnahme des baulichen Brandschutzes wäre, bei der Konstruktion der Gebäude möglichst feuerbeständige und nicht brennbare Materialien zu verwenden, um es den Löschkräften zu ermöglichen, in einem Brandfall das betreffende Gebäude noch zu betreten und die Gefahr eines schnellen Einsturzes durch die Brandeinwirkung zu verhindern.
Chemikalienlager sowie technische Betriebsräume (Elektroverteilungen, Kompressoren‑, Heizräume etc.) sollten in eigenen feuerbeständig abgetrennten Räumen untergebracht werden.
Vorbeugender technischer Brandschutz
Im Rahmen des vorbeugenden technischen Brandschutzes empfiehlt es sich, die Betriebsanlagen sowie Gebäude mit einer flächendeckenden Sprinkleranlage nach den Richtlinien von VdS Schadenverhütung oder Factory Mutual (FM Global) zu schützen, um einen Entstehungsbrand schnellstmöglich bekämpfen zu können bzw. zumindest die betroffenen Lithium-Ionen-Batterien zu kühlen und so den Brand möglichst begrenzt zu halten. Die Wasserversorgung der Sprinkleranlage sollte für eine Betriebszeit von mindestens 120 Minuten ausgelegt sein, da mit einem schnellen Löscherfolg nicht zu rechnen ist. Wie aber schon einige Brände gezeigt haben, scheint eine Vollsprinklerung alleine keine Garantie dafür zu sein, den Schaden begrenzt zu halten.
Der flächendeckende Sprinklerschutz sollte durch eine automatische Brandmeldeanlage mit Alarmdurchschaltung zur örtlichen Feuerwehr ergänzt werden, um eine schnellstmögliche Brandentdeckung und Aufnahme der Brandbekämpfung zu ermöglichen. Hierbei sollte, insbesondere im Lagerbereich, vorzugsweise eine Brandmeldeanlage mit Rauchansaugtechnik zum Einsatz kommen, da sie schon geringste Mengen an Rauchgaspartikeln erkennen kann, ggf. ergänzt durch Gasdetektoren (um Partikel in einem Elektrolytgas zu erkennen) sowie thermografische Videodetektionsanlagen (Thermalkameras, auch bezeichnet als Wärmebild‑ / Infrarotkameras) zur Überwachung der Lagertemperatur, denn Selbstentzündungen von Lithium-Ionen-Akkus kündigen sich häufig durch Erhitzung an. Aber auch hier besteht keine vollständige Sicherheit, da eine Entzündung spontan erfolgen kann und mit einer sehr raschen Brandausbreitung zu rechnen ist, sodass es fraglich erscheint, ob die Zeit zwischen Alarmauslösung und Brandausbruch reicht, um wirksam eingreifen zu können.
Ergänzend zur Sprinkleranlage sollte in Betracht gezogen werden, das Gebäude zusätzlich mit Löschmonitoren auszustatten, die über Thermalkameras ausgelöst und gesteuert werden, denn primäres Ziel ist die Brandvermeidung bzw. ‑begrenzung durch die Abkühlung des erhitzten Akkus und die präventive Kühlung der Umgebung. Sekundäres Ziel ist es, ein Übergreifen des Brands auf die Umgebung durch gezielte Abkühlung/Löschung zu vermeiden. Im Vergleich zu Sprinkleranlagen befördern Löschmonitore in kürzester Zeit eine viel größere Wassermenge zum Brandherd. Daneben sollten die Löschmonitore auch manuell durch die Feuerwehr bedient werden können.
Anlagen, die potenziell einen Brand auslösen können, z. B. Schredderanlagen, sollten über zusätzliche Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen verfügen, da diese nur unter Schutzgasatmosphäre und Vakuum zu betreiben sind.
Betriebliche und organisatorische Maßnahmen
Als betriebliche und organisatorische Maßnahmen sind die üblichen Brandschutzvorkehrungen zu empfehlen. Hierzu zählen eine regelmäßige Instandhaltung und Wartung aller Anlagen, die Einhaltung von Ordnung und Sauberkeit, keine Lagerung von brennbaren Materialien an den Gebäudeaußenwänden, die Einführung des Schweißerlaubnisscheinverfahrens, die ausreichende Ausstattung des Betriebs mit geeigneten Erstbrandbekämpfungsmitteln, die regelmäßige Überprüfung der elektrischen Anlagen sowie eine ausführliche und regelmäßige Unterweisung der Betriebsangehörigen über die speziellen Gefahren und notwendigen Verhaltensweisen.
Lithium-Ionen-Batterien sollten so gelagert werden, dass die Ausbreitung eines Brands auf benachbarte Batterien zumindest verzögert, wenn nicht ausgeschlossen wird. Dies kann z. B. durch die horizontale und vertikale Trennung der einzelnen Regalfächer durch nicht brennbare Metallbarrieren zwischen den einzelnen Lagerplätzen erreicht werden, wobei darauf zu achten ist, dass bei einer eventuell installierten Sprinkleranlage die Lösch‑/Kühlwirkung nicht beeinträchtigt wird.
Bei einer Blocklagerung sollte die Lagerhöhe von 3 m nicht überschritten und die Lagerfläche durch Zwischengänge von mindestens 3 m Breite in kleinere Blocklagerflächen aufgeteilt werden.
Abwehrender Brandschutz
Der abwehrende Brandschutz sollte ebenfalls sorgfältig geplant werden. Hierzu zählt, im Vorfeld mit der örtlichen Feuerwehr einen detaillierten Einsatzplan zu erstellen, in dem die Gefahrenstellen im Betrieb gekennzeichnet sind. Dies ermöglicht es der Feuerwehr, bei einem Brand gezielt Maßnahmen ergreifen zu können. Des Weiteren sollte der Plan Hinweise für die Entfernung/Entsorgung beschädigter Zellen und Module enthalten. Ferner sollte es der Feuerwehr ermöglicht werden, regelmäßig eine Übung auf dem Betriebsgelände abzuhalten, um die Löschkräfte mit den örtlichen Gegebenheiten und Gefahrenumständen vertraut zu machen.
Zudem sollten ausreichende Aufstellflächen für die Feuerwehrfahrzeuge und ‑geräte sowie eine Umfahrungsmöglichkeit für die Gebäude geschaffen werden.
Für die Bekämpfung eines Brands ist eine ausreichende Wasserversorgung bereitzuhalten. Erfahrungen bei Bränden mit der Beteiligung von Lithium-Ionen-Batterien zeigen, dass ein enormer Wasserbedarf für die Kühlung betroffener Batterien und eine erfolgreiche Brandbekämpfung besteht. Für eine Abschätzung der notwendigen Wassermenge sollten die Feuerwehr und das örtliche Wasserversorgungsunternehmen hinzugezogen werden.
Da zu erwarten ist, dass das Kühl‑ / Löschwasser im Einsatzfall mit umweltgefährdenden und giftigen Stoffen versetzt ist, sollte der Betrieb über eine Löschwasserrückhalteeinrichtung verfügen.
Weitere wertvolle Hinweise zum Brandschutz können u. a. in Publikationen des VdS5 und den FMG‑Datasheets6 nachgelesen werden, die im Speziellen Hinweise und Empfehlungen für den präventiven Brandschutz von Lithium-Ionen-Batterien geben.
Hinweise zum Underwriting
Die Investitionskosten für Lithium-Ionen-Batterie-Recyclinganlagen sind vergleichsweise hoch und werden zurzeit durch die zu erzielenden Erlöse der recycelten Materialien nicht gedeckt. In einer Studie vom Fraunhofer Institut aus dem Jahr 20217 wurde für ein mechanisches Aufbereitungs‑ / Trennungsverfahren für 1.000 t/Jahr mit nachgelagerter hydrometallurgischer Aufbereitung ein Gesamtinvestitionsvolumen von EUR 2,9 Mio. bis EUR 4 Mio. geschätzt; bei einer Demontage mit nachgelagerter pyrometallurgischer und hydrometallurgischer Aufbereitung eine Gesamtinvestition von EUR 2,4 Mio. bis EUR 5,6 Mio. Zurzeit geht man davon aus, dass für einen ökonomischen Betrieb 100.000 t/Jahr oder mehr an Lithium-Ionen-Batterien verarbeitet werden müssen. Aus Sachwertesicht stellen die Gebäude und Anlagen daher einen hohen Versicherungswert dar.
Neben den zurzeit bekannten Recyclingverfahren werden künftig weitere Recyclingverfahren an Bedeutung gewinnen – mit ggf. zusätzlichen oder anderen Gefahrenexposures.
Im Rahmen des Underwriting für ein Recyclingunternehmen, das Lithium-Ionen-Batterien verarbeitet, und um die damit verbundenen Gefahren aus Sachversicherungssicht einzuschätzen, sollte als Grundlage ein aktueller (nicht älter als drei Jahre) und aussagekräftiger Besichtigungsbericht vorliegen, in dem auf die besonderen Gefahren sowie eventuell vorhandene Schutzmaßnahmen eingegangen wird. Auf dessen Grundlage sowie anhand des vorliegenden Versicherungsvertrags sollten die nachfolgenden Hinweise und Überlegungen für das Underwriting sowie die entsprechende Entscheidungsfindung berücksichtigt werden:
Allgemeine Informationen
- Lage der Gebäude und Nutzung
- Art und Daten zur Lagerung von Lithium-Ionen-Batterien, z. B. gelagerte Menge, Lagerart, Lagerhöhe
- Abmessungen der Gebäude einschließlich Gebäudehöhe
- eventuell vorhandene Photovoltaikanlage auf den Gebäuden
- Aussagen zur vorhandenen Betriebsgenehmigung
Vorhandene Brandschutzmaßnahmen
- Bauart des Lagergebäudes sowie der verwendeten Baustoffe und Bauteile und Angaben zur Feuerwiderstandfähigkeit
- bauliche Brandschutzmaßnahmen (z. B. Komplex‑ / Brandwände, Abstände zu anderen Gebäuden, feuerbeständige Räume, Hochwasserschutz, konstruktive Einbruchschutzmaßnahmen)
- Ausführung der Komplextrennwände / Brandwände (z. B. Überdachführung, feuerbeständiger Schutz vorhandener Öffnungen)
- technische Maßnahmen (z. B. automatische Brandmeldung und Feuerlöschanlagen, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, Einbruchmeldeanlage, Alarmweiterleitung)
- organisatorische und betriebliche Schutzmaßnahmen (z. B. BCP, Instandhaltung, Ordnung und Sauberkeit, Rauchverbot, Werkschutz, Umzäunung, Mitarbeiterschulung etc.)
- abwehrende Brandschutzmaßnahmen (z. B. Betriebs‑ / Werkfeuerwehr, öffentliche Feuerwehr, Hydranten, Wasserversorgung, Löschwasserauffangmaßnahmen etc.)
- Sonstiges: z. B. Wiederbeschaffungszeit von Gebäuden, Inhalt, Lagerbestand, finanzielle Situation und Auftragslage in Bezug auf einen Wiederaufbau, erwartete Ausfallzeiten nach einem Verlust, erwartete Auswirkungen auf Kunden/Märkte, geschätzte Zeit für notwendige Neubeantragung von Betriebsgenehmigungen
Wertbelastung
- Wert der Gebäude, Einrichtungen/Anlagen, Vorräte
- versicherte Erstrisikopositionen
Betriebsunterbrechnung
- vorhandene „Bottlenecks“ sowie mögliche Alternativen/Ersatzmöglichkeiten (z. B. IT, Transport‑ / Einlagerungssysteme), Lieferfristen für wichtige Anlagen, Wiederaufbauzeiten, Zeitbedarf für notwendige Planungs- und Genehmigungsverfahren
- zu erwartende Auswirkungen / Folgen im Schadenfall (Lieferfähigkeit, finanzielle Auswirkungen, Mehraufwand, Wechselwirkungen, Vertragsstrafen)
- BCP/Notfallplan vorhanden (aktuell, regelmäßig überprüft)
Wording / Versicherungsvertrag
- Standard-Wording oder Manuskript-Wording
- Versicherungsumfang u. a. versicherte Gefahren (z. B. benannte Gefahren, Allgefahrendeckung oder Ausschnittsdeckung, Maschinenbruch, Increased Costs of Working (ICOW) / Additional Costs of Working (ACOW9)
- Basis der ermittelten Versicherungswerte (z. B. Neupreis, Zeitwert, Marktwert, Wiederbeschaffungspreis)
- Basis der Entschädigungsleistung im Schadenfall sowie eventuell vorhandene Unterversicherungsregelung
- vereinbarte Schadenshöchstgrenzen, Selbstbehalte, Wartezeit, Sublimits
- vereinbarte Kosten / Erstrisikopositionen / Mehrkosten
- vereinbarte Vorsorgesummen
- vereinbarte Nachhaftung
- vereinbarte Haftzeit
Sonstiges
- Schadenshistorie
- Naturgefahrenexponierung (z. B. Überschwemmung, Erdbeben, Sturm)
- Attraktivität der gelagerten Ware (in Bezug auf Diebstahl und Beraubung)
- politische Stabilität der Region sowie möglicher Brandstiftungsgefährdung
- Mehrherrigkeit
- subjektives Risiko des Versicherungsnehmers
Zusammenfassung
Angetrieben durch die angestrebte Energiewende und den Siegeszug der E‑Mobilität werden Recyclinganlagen für die Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe aus Lithium-Ionen-Batterien in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Damit verbunden sind neue Gefahrenexposures. Längerfristige Erfahrungen liegen bis heute nicht vor, da es sich zurzeit in der Regel um Pilotanlagen handelt, die der Erprobung möglicher Recyclingverfahren dienen.
Es ist zu erwarten, dass künftige Lithium-Ionen-Recyclinganlagen einen erheblichen Investitionsbedarf in die technologisch notwendigen Anlagen und in vorbeugende Brandschutzmaßnahmen erfordern. Aus Sicht der Sachversicherung werden solche Anlagen eine Herausforderung in Bezug auf die Abschätzung möglicher Höchstschäden sowie die Beurteilung der Wirksamkeit vorbeugender baulicher, betrieblicher, organisatorischer und abwehrender Brandschutzmaßnahmen darstellen, da bisher nur wenige Erfahrungen aus Einzelschäden vorliegen. Zusätzlich werden versicherungstechnische Fragen eine entscheidende Rolle spielen, u. a. die Gestaltung des Versicherungsvertrags sowie die Abschätzung eventuell bestehender Kumule aus verschiedenen Versicherungsverträgen, z. B. Haftpflicht- und Sachversicherungspolicen.
Zur Ansicht der Literaturhinweise sowie der Endnoten öffnen Sie bitte die PDF‑Datei.