Wasserstoff (H2) kommt in der Natur nur gebunden vor, z. B. mit Sauerstoff als Wasser (H2O). Kohlenwasserstoffe wie Methan (CH4) oder Erdöl sind ebenfalls wichtige wasserstoffhaltige Verbindungen. Zudem enthalten mehr als die Hälfte aller bisher bekannten Minerale Wasserstoff. In der Erdatmosphäre ist er im Wasserdampf enthalten.
Die maximale Flammengeschwindigkeit von Wasserstoff ist ca. achtmal größer als die der kohlenwasserstoffbasierten Gase.
Massebezogen besitzt Wasserstoff die höchste Energiedichte unter den gängigen Treib- und Brennstoffen, volumenbezogen beträgt die Energiedichte von flüssigem Wasserstoff aber nur ein Drittel von Erdgas bzw. ein Viertel der Energiedichte von Benzin.
Gefahren von Wasserstoff
Wasserstoff kann, wie erwähnt, mit Sauerstoff explosionsfähige Gemische bilden (Knallgas). Wasserstoff verfügt über einen außergewöhnlich breiten Explosionsbereich, der von 4 Vol.‑% (untere Explosionsgrenze UEG) bis 77 Vol.‑% (obere Explosionsgrenze OEG) in Luft reicht, d. h. auch äußerst fette Gemische sind im Vergleich zu anderen brennbaren Gasen, z. B. Methan, noch zündfähig.
Die Mindestzündenergie von 0,02 Megajoule (ML) bei 30 Vol.‑% Wasserstoff in Luft (stöchiometrische Mischung) ist eine der niedrigsten. Schon kleinste elektrische Funken, z. B. durch elektrostatische Vorgänge bei unter hohem Druck ausströmendem Wasserstoff, reichen aus, ein solches Gemisch zu entzünden. Neben den üblichen Zündquellen, wie elektrischen Funken, die bei Weitem mehr Energie erzeugen, können auch bereits auf den Boden fallende Werkzeuge oder Reibung von Textilien eine Zündung auslösen.
Ein Luft-Wasserstoff-Gemisch weist im Vergleich zu anderen brennbaren Gasen eine extrem hohe Flammengeschwindigkeit auf, die u. a. technisch in Raketentriebwerken genutzt wird, bei ungewollten Explosionen aber ggf. eine besonders hohe Zerstörungskraft in sich birgt.
Wasserstoff brennt mit einer sehr hellen Flamme, die bei Tageslicht unsichtbar ist. Obwohl die Flamme über 2.000° Celsius heiß ist und abhängig vom Ausströmdruck bis zu 30 m Länge erreichen kann, gibt sie nur eine geringe Wärmestrahlung ab, die Menschen als Wärme oder Hitze wahrnehmen. Deswegen besteht die Gefahr, dass ein Mensch sich ihr unbewusst zu stark nähert. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Entzündung von Gegenständen in der Nähe geringer ist als bei herkömmlichen Brennstoffen, emittiert eine Wasserstoffflamme eine erhebliche ultraviolette Strahlung.
Aufgrund seiner kleinen Moleküle und geringen Viskosität kann Wasserstoff leichter aus Rohrleitungen und anderen Strukturen austreten als dichtere Gase. Geschieht dies bei ausreichend hohem Druck, kann sich Wasserstoff sogar selbst entzünden.
Wasserstoff diffundiert besonders schnell in andere Gase, z. B. in Luft. In Rohrleitungen und auch Speicherbehältern kann es vorkommen, dass auf katalytisch wirksamen Oberflächen H+‑Ionen entstehen, also ionisierter Wasserstoff, der in das Kristallgitter von bestimmten Stählen eindringt, dessen Gitterstruktur schwächt und Versprödungen im Material hervorrufen kann.
Insbesondere an Stellen, an denen eine erhöhte Spannung im Material herrscht, kann dieser Effekt das Entstehen von Rissen sowie Materialversagen beschleunigen und dadurch zu Leckagen führen. Dabei hängt die wasserstoffinduzierte Korrosion von verschiedenen Bedingungen ab, beispielsweise der Art des Kristallgitters (raum- oder flächenzentriert), der Oberflächengüte des Metalls (Fehlstellen, Brüche, Schweißnähte) und der vorherrschenden Belastungssituation (Druck, Spannung, Temperatur, Wechselbelastung).
Aufgrund der geringen Größe des Wasserstoffmoleküls und der damit verbundenen hohen Neigung zur Diffusion breitet sich eine freigesetzte Wasserstoffwolke rascher aus als andere brennbare Gase, z. B. Flüssiggas, und erreicht vorhandene Zündquellen schneller. Diese schnelle Ausbreitung führt aber auch zu einer schnellen Verdünnung der Wasserstoffkonzentration, z. B. in der Luft, wodurch die untere Explosionsgrenze eher unterschritten wird als bei anderen Brenngasen. Im Freien ist deshalb gasförmiger Wasserstoff kaum nachweisbar, da er sich sofort nach Austritt verflüchtigt, was u. a. das Auffinden von Leckagen erschwert.
Da Wasserstoff wesentlich leichter als Luft ist, breitet er sich schnell im ganzen zur Verfügung stehenden Raum, vor allem unter der Decke aus. Verflüssigter und tiefkalter Wasserstoff verweilt dagegen längere Zeit an der Austrittsstelle und ist an Nebelbildung in deren Umfeld zu erkennen, aber er verdampft auch relativ schnell.
Die Freisetzung in einem Gebäude ist problematischer als im Freien, da sich oft auch Zündquellen, z. B. Deckenlampen, oberhalb der Austrittsstelle befinden. Daher müssen in Gebäuden, in denen der Austritt von Wasserstoff oder anderen brennbaren Gasen möglich ist (Werkstätten, Labors), zumindest in den Räumen oder Gebäudeteilen, die potenziell gefährdet sind, entsprechende Maßnahmen für den Explosionsschutz getroffen werden. Welche das sind, ergibt sich aus der Art des Gebäudes und der Wahrscheinlichkeit eines Austritts anhand einer Risikoanalyse. Dabei kommt es letztlich immer auf die Umstände des Einzelfalls an.
Ereignet sich beispielsweise ein Brand in der Nähe eines Wasserstofftanks, ist damit zu rechnen, dass Armaturen, die direkt dem Feuer ausgesetzt sind, nach kurzer Zeit undicht werden, wodurch Wasserstoff austreten und die Gefahrensituation verschärfen kann.
Eine Internetrecherche nach Schadenerfahrungen mit Wasserstoff lässt nicht erkennen, dass die Gefährdung durch Wasserstoff höher ist als die durch irgendein anderes vergleichbares brennbares Medium. Insofern kann man davon ausgehen, dass Wasserstoff keine neuartigen Risiken birgt. Problematisch wird es nur entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette, wo menschliche Fehler, z. B. beim Transport, Abfüllen oder bei der Wartung der Anlagen, nicht auszuschließen sind. Daher empfiehlt sich bei industriellen Wasserstoffanlagen eine individuelle Risikobewertung, um die Sicherheit zu planen und entsprechende Richtlinien festzulegen.
Mögliche Schutzmaßnahmen
Eine besondere Herausforderung besteht bei Wasserstoff vor allem in seiner hohen Explosionsgefahr. Folglich müssen in vielen Bereichen einer Wasserstoffanlage die Komponenten für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen ausgelegt sein, um den bei der Produktion entstehenden Drücken sowie der Hochentzündlichkeit von Wasserstoffgas entgegenzuwirken. In vielen Ländern gibt es eine Vielzahl von internationalen und nationalen Regelwerken zum Explosionsschutz, beispielsweise DIN EN IEC 600794 und DIN EN ISO/IEC 800795. Unter anderem wird darin geregelt, welche Bereiche als explosionsgefährdet gelten. Auf dieser Basis werden entsprechende Maßnahmen für den primären (z. B. Vermeidung des Auftretens explosionsfähiger Atmosphären), sekundären (z. B. Vermeidung von Zündquellen) und tertiären Explosionsschutz vorgeschrieben.
Die Zielrichtung des primären Explosionsschutzes ist die Verhinderung der Bildung gefährlicher explosionsfähiger Gemische. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, durch ausreichend dichte Anlagenteile zu verhindern, dass Wasserstoff in Produktions‑, Speicherungs- und Transportanlagen, z. B. Pipelines, freigesetzt wird. Dazu sollten lösbare Verbindungen auf ein Minimum beschränkt sowie wasserstoffführende Anlagenteile vor mechanischer Beschädigung geschützt werden.
Um Leckagen, z. B. Materialversprödung durch die Verwendung ungeeigneten Materials, zu vermeiden, ist neben der Auswahl der Werkstoffe ebenso die Berücksichtigung der Betriebsbedingungen (Gasdruck, Temperatur, mechanische Belastung) wichtig. Aus diesem Grund werden beispielsweise für Lagertanks in der Regel Edelstahl und Verbundwerkstoffe verwendet.
Ergänzend sollte die unmittelbare Umgebung der Wasserstoffanlagen mittels Leckageortungsdetektoren und Gaswarngeräten überwacht werden, um zu verhindern, dass sich explosive Atmosphären überhaupt bilden können. Die Auswahl geeigneter Sensorik sollte nach den örtlichen Risikogegebenheiten getroffen werden. Die erforderlichen Sensoren sollten in der Nähe der möglichen Austrittsstellen und unter Berücksichtigung der Eigenschaften von Wasserstoff an der höchsten Stelle des Raums oder zumindest so hoch wie möglich angebracht werden.
Der Alarm sollte lokal sowie an eine ständige besetzte Stelle melden. Ferner sollte dafür gesorgt werden, dass durch eine effektive Lüftungsstrategie Wasserstoff so schnell wie möglich aus dem Raum abgeleitet wird, beispielsweise durch sich automatisch öffnende Fenster-/Dachöffnungen oder durch Ansteuerung von Entlüftungsventilatoren bei Auslösen eines Gaswarnmelders, bevor die Gemischkonzentration die untere Explosionsgrenze überschreitet. Weiter sollte die Gaszufuhr automatisch abgeriegelt werden, um die austretende Gasmenge auf ein Minimum zu beschränken. Daneben sind regelmäßige Inspektionen und Wartungen unerlässlich, um Lecks an Verbindungsstellen und entlang der Rohrleitungen zu identifizieren.
Sekundärer Explosionsschutz umfasst Maßnahmen, welche die Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verhindern. Dazu zählt die sichere Gestaltung von elektrischen und sonstigen Anlagen in Räumen, in denen die Bildung eines Gemischs nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Wenn möglich, sollten Alternativen zu elektrischen Komponenten verwendet werden, beispielsweise pneumatische Ventile statt Magnetventile. Die ordnungsgemäße Erdung aller relevanten Teile und leitfähigen Fußböden sollte ebenfalls berücksichtigt werden, um statische Entladungen zu vermeiden.
Darüber hinaus gibt es den konstruktiven („tertiären“) Explosionsschutz, mit dem die Auswirkungen einer Explosion begrenzt werden. Dies bedeutet, die Anlagen und Gebäude, in denen sich eine Explosion ereignen könnte, so zu konstruieren, dass sie einer Explosion mit begrenztem Schaden standhalten (Explosionsdruckentlastung, explosionsfeste bzw. explosionsdruckstoßfeste Bauweise) und keine Menschen gefährdet werden (Druckentlastungsöffnungen, Ableitung usw.). Es handelt sich dabei also nicht um die Verhinderung einer Explosion, sondern um die Begrenzung des durch sie verursachten Schadens.
Besondere Aufmerksamkeit sollte darauf gelegt werden, wie sich im Fall einer unerwarteten Freisetzung Wasserstoff ausbreitet. Wasserstoff sammelt sich in Gebäuden/Räumen besonders unterhalb der Decke an, daher sollten dort geeignete Entlüftungsöffnungen vorhanden sein. Aber auch generell ist auf eine gute Durchlüftung der Räume zu achten.
Ferner sollten die Anlagen und Maschinen sorgfältig entsprechend den Empfehlungen des Herstellers gewartet werden. Eine Kombination aus vorausschauender Wartung, vorbeugenden Instandhaltungsmaßnahmen und periodischen Wartungsverfahren ist zu empfehlen, z. B. Predictive Maintenance, ebenso wie die Erfassung von Prozessparametern, wie Temperaturen, Drücke, Gaskonzentrationen in der Luft, Gaskonzentration in Sauerstoff im geschlossenen Anlagenteil und Zellspannungen. Durch regelmäßige Auswertung der so gewonnenen Datensätze können sowohl Risiken reduziert als auch Anlagenstillstände minimiert werden.
Es ist zu beachten, dass in Gebäuden/Räumen, in denen Wasserstoff austreten kann, keine CO2‑Feuerlöschanlagen eingesetzt werden dürfen, da es beim Ausströmen von CO2 aus den Löschdüsen zur Entladung statischer Elektrizität kommen kann, die dann das Wasserstoff-Luft-Gemisch entzünden kann. Als Alternative bietet sich beispielsweise eine Stickstoff-Inertgas-Anlage an.
Aber auch der organisatorische Brand- und Explosionsschutz sollte nicht vernachlässigt werden. Besonderer Wert ist auf die Schulung des Personals im Umgang mit Wasserstoff zu legen. Hierzu zählen u. a. ein Notfalltraining mit klaren Ablaufplänen und die Zuordnung von Zuständigkeiten. Weiterhin sollten Gefahrenbereiche mit Warnschildern entsprechend gekennzeichnet und ausreichend Sicherheitsabstände im Umfeld von ortsfesten Wasserstoffspeicheranlagen festgelegt werden, damit brennend austretender Wasserstoff keine Folgebrände verursacht.
Gedanken zum Underwriting
Die Nachfrage nach Versicherungen für den Bau und Betrieb von Elektrolyseanlagen und Pipelines für die Produktion und den Transport von „grünem“ Wasserstoff wird erwartungsgemäß in der näheren Zukunft zunehmen. So sind von verschiedenen Staaten schon eine Reihe von Projekten zur Gewinnung von „grünem“ Wasserstoff angekündigt worden oder werden bereits realisiert.
Versicherer sollten deshalb einen detaillierteren Underwriting-Ansatz für dieses Segment entwickeln, um die mit dem Prozess der „grünen“ Wasserstoffgewinnung, der Lagerung und dem Transport verbundenen Risiken zu erfassen. Die grundlegenden Technologien und Prozesse sind zwar bekannt, es sind aber zunehmende Optimierungsmaßnahmen zu erwarten, um die Kosten für die Gewinnung und Nutzung des so gewonnen Wasserstoffs zu reduzieren. Damit einhergehend sind neue Technologie- und Prozessansätze (teilweise Prototypen) zu erwarten, die ggf. mit zusätzlichen Risiken einhergehen.
Das Risiko von Bränden bzw. Explosionen mit entsprechenden Sach- und Ertragsausfallschäden kann erheblich sein. In der Betriebsunterbrechungsversicherung ist u. a. beim Ausfall einzelner Komponenten bzw. Anlagen mit langen Lieferzeiten zu rechnen. Im Wesentlichen gelten für Wasserstoffgewinnungs-/speicheranlagen und Transportsysteme ähnliche Überlegungen wie für bestehende Energy-Risiken, z. B. in Kraftwerks‑, Fotovoltaik- oder Windturbinenkomponenten.
Im Rahmen einer eventuellen Betriebsunterbrechungsversicherung ergeben sich einige weitere Fragen, z. B.: Wie wirkt sich beim Ausfall von erneuerbaren Energien aufgrund eines versicherten Schadens der Rückgriff auf Reservestromquellen, z. B. konventionelle Stromerzeugung, auf die Berechnung des Betriebsunterbrechungsschadens aus (Mehrkosten)? Eine weitere Frage ist, inwieweit ein Schaden an einer Windturbine oder Fotovoltaikanlage als Betriebsunterbrechungsschaden für eine Wasserstoffanlage gewertet werden kann.
Andererseits ist zu erwarten, dass der aus erneuerbaren Energien gewonnene Strom beispielsweise in Lithium-Ionen-Großspeicheranlagen (BESS) zwischengespeichert wird, um eine konstante Energieversorgung sicherzustellen, wenn Sonne oder Wind nicht zur Verfügung stehen. Solche Anlagen stellen ebenfalls ein nicht zu vernachlässigtes Exposure dar, das ein nicht unerhebliches Sach- und Betriebsunterbrechungsrisiko nach sich zieht. Dieses Thema und die damit verbundenen Risiken aus Sicht der Sachversicherung wurden bereits in einer früheren Publikation beleuchtet.6 Die dort enthaltenen Hinweise sollten entsprechend berücksichtigt werden, wenn solche Energiespeicheranlagen mit in die Deckung eingeschlossen werden.
Zusammenfassung
Wasserstoff kann zu Bränden und Explosionsereignissen führen und sowohl erhebliche Sach- als auch Betriebsunterbrechungsschäden verursachen. Wasserstoff wird schon seit mehr als 100 Jahren durch verschiedene Verfahren im großindustriellen Stil gewonnen, in der Zukunft sollen diese Herstellungsverfahren weitgehend durch die Gewinnung von „grünem“ Wasserstoff ersetzt werden. Dabei wird der für die Elektrolyse notwendige Strom durch erneuerbare Energien (Wind, Sonne) erzeugt. Bis jetzt ist dieser Prozess noch deutlich kostenintensiver als herkömmliche Verfahren, es werden aber mit Hochdruck Optimierungen angestrebt.
Wasserstoff ist ein Gas, das durch einen extrem hohen Explosionsbereich in Luft gekennzeichnet ist. Insofern ist es auch für Versicherer notwendig, sich mit den damit verbundenen Risiken bei der Herstellung, Speicherung, dem Transport sowie dem Verbrauch von Wasserstoff zu befassen. Vorbeugende Schutzmaßnahmen des primären, sekundären, tertiären Explosionsschutzes sowie organisatorische Maßnahmen können neben Personenschäden auch möglichen Schäden in der Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherung vorbeugen oder deren Auswirkungen deutlich reduzieren. Dies erfordert aber auch, dass solche Risiken erkannt und entsprechend bewertet werden.