Deutschland – „Bronchostop“ keine irreführende Bezeichnung für Hustensaft, der Husten nicht stoppt
In seiner am 16. September 2022 veröffentlichten Entscheidung (Urt. v. 15. September 2022 – 6 U 24/22, GRUR‑RR 2022, 510) hat das Oberlandesgericht Köln entschieden, dass ein Hersteller seinen Hustensaft als „Bronchostop“ vermarkten darf, auch wenn dieser den Husten nicht stoppe, sondern ihn nach Angaben des Herstellers lediglich lindere und das Abhusten fördern könne.
Ein Wettbewerbsverein hatte das herstellende Pharmaunternehmen sowie die Vertreiber des gem. §§ 39a ff. AMG registrierten Arzneimittels auf Unterlassung des Vertreibens und Bewerbens unter Verwendung seines Namens und/oder Unterlassung bestimmter Angaben auf der Verpackung sowie auf Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch genommen, da die Zusammensetzung des Namens des Arzneimittels Verbraucher irreführe. Sie verstünden darin aufgrund der Wortbestandteile „Broncho“ und „stop“ ein Produkt, das Atemwegserkrankungen beende, während es nach dem registrierten Anwendungsgebiet nur die „Linderung von […] Reizhusten“ sowie „Förderung des Abhustens“ bewirke. Die Beklagten argumentierten, dass die Bezeichnung aufgrund der Tatbestands- und Bindungswirkung der Registrierung nicht wettbewerbsrechtlich angreifbar sei. Die Bezeichnung sei darüber hinaus auch für Verbraucher rein assoziativ zu verstehen, sodass es nicht zwingend zur befürchteten Irreführung käme.
Das OLG Köln entschied nun, dass durch den Registrierungsbescheid die von den Beklagten behauptete Bindungswirkung zwar gerade nicht eintrete. Dennoch sei die Bezeichnung im konkreten Fall nicht irreführend i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Was genau mit dem Saft gestoppt werden solle, könne sich für den maßgeblichen Verbraucher aus der Bezeichnung „Bronchostop“ allein nicht erschließen. Da das „Stoppen“ von „Bronchien“ eine erkennbar sinnfreie Aussage sei, ergäben sich für den Verkehrskreis eine Vielzahl weiterer Verständnismöglichkeiten, was durch die Einnahme beendet werden könne, und mithin keine irreführende Erwartungshaltung durch die Bezeichnung.
Europa – EU‑Richtlinie über Prozessfinanzierer
Das Europäische Parlament hat nach Veröffentlichung der Entschließung „European Parliament Resolution 2022/2130(INL)“ am 13. September 2022 die Europäische Kommission aufgefordert, einen Gesetzesvorschlag zu drittfinanzierten Rechtsstreitigkeiten vorzulegen.
In der Resolution stellt das Parlament fest, dass der Anteil der durch Dritte finanzierten Rechtsstreitigkeiten (Third Party Litigation Funding, TPLF) in der EU zunimmt. Neben den damit einhergehenden Gefahren könne TPFL aber gleichzeitig als „Instrument zur Unterstützung des Zugangs zur Justiz“ fungieren. Aus diesem Grund empfiehlt es, die Materie europaweit zu regeln und damit auch bestimmte Risiken in Zusammenhang mit dieser Finanzierung zu begrenzen, indem ein Genehmigungssystem eingeführt und der maximale Anteil des dem Prozessfinanzierer zufließenden Erlöses begrenzt wird.
Den Mitgliedstaaten soll es nach Ansicht des Parlaments freigestellt werden, ob sie TPLF zulassen. Entscheiden sie sich dafür, soll es insbesondere ein System für Registrierung und Zulassung von Prozessfinanzierern geben, die einer Aufsichtsbehörde unterstellt und von dieser jährlich auf ihre Zulässigkeit überprüft werden. Voraussetzung für die Zulassung sollen u. a. der Nachweis einer Ansässigkeit im Mitgliedstaat und das Vorhandensein angemessener Kapitalisierung und Compliance-Strukturen sein. Außerdem soll eine treuhänderische Fürsorgepflicht hinsichtlich der Interessen der Kläger bestehen. Die Verträge mit den Klägern müssen Interessenkonflikte und zu umfangreiche Verfügungsbefugnisse des Finanzierers hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche ausschließen, und der Klagepartei müssen mindestens 60 % des Bruttoerlöses des Prozesses zustehen.
Bisher ist nicht klar, ob und wann die Kommission der Aufforderung des Parlaments folgen wird. Möglicherweise wartet diese zunächst auch die Auswirkungen der Umsetzung der thematisch eng damit verbundenen „Richtlinie über kollektive Rechtsdurchsetzung“ (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG, COM/2018/184 final – 2018/0089 (COD) – Verbandsklagerichtlinie) ab.
Italien – Gesetzesvorschlag zur Umsetzung der EU‑Richtlinie über Verbandsklagen in erster Lesung angenommen
Am 9. März 2023 hat der italienische Ministerrat den Entwurf eines Gesetzesdekrets (Gesetzesentwurf) zur Umsetzung und Durchführung der Richtlinie (EU) Nr. 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen von Verbrauchern (Dekret Nr. 28/2023) verabschiedet. Damit treten die Bestimmungen der EU‑Richtlinie in Italien am 25. Juni 2023 in Kraft.
Geregelt werden in dem Dekret nicht nur die Modalitäten der bisher unter die Vorschriften der italienischen Zivilprozessordnung (Codice di Procedura Civile) fallen, sondern nun auch solche von grenzüberschreitenden Sammel- bzw. Verbandsklagen. Damit sind bald auch Klagen vor einem italienischen Gericht durch eine oder mehrere qualifizierte Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten oder in einem anderen Mitgliedstaat durch eine italienische qualifizierte Einrichtung möglich.
Klagebefugt sind die in einer bestimmten von verschiedenen Ministerien geführten Liste eingetragenen Verbraucherverbände sowie qualifizierte Einrichtungen aus anderen EU‑Mitgliedstaaten, die die dortigen Anforderungen erfüllen und in das neue europäische Register für Verbandsklagen eingetragen sind. Ebenso können die qualifizierten Einrichtungen aus Italien durch grenzüberschreitende Vertretungsklagen im Ausland tätig werden. Ein Mandat durch Verbraucher ist dafür nicht erforderlich.
Für die Eintragung als qualifizierte Organisation unterliegen die Verbände bestimmten Anforderungen und müssen das Fehlen von Interessenkonflikten sicherstellen. Bei der Finanzierung durch Dritte müssen die Kläger die erhaltenen Finanzierungen offenlegen sowie angeben, ob die klagefinanzierende Partei Konkurrent oder Angestellter des Beklagten ist.
Erhoben werden können die Klagen insbesondere gegen Unternehmer. Als solche gilt jede natürliche oder juristische Person, die im Rahmen ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt.
Klagbare Verstöße sind insbesondere solche gegen EU‑Verordnungen und Richtlinien (Anhang II des Dekrets), darunter u. a. solche zur Produkthaftung, zum Verbraucherschutz, zu irreführender Werbung, zum elektronischen Handel und zu digitalen Dienstleistungen.
Mithilfe der Verbandsklagen kann ein Ausgleich des vom Verbraucher erlittenen Schadens u. a. in Form von Geldzahlungen, Nachbesserung, Ersatzlieferung, Preisminderung, Vertragsauflösung oder Rückerstattung des Preises erreicht werden. Ferner kann das Unternehmen aufgefordert werden, das rechtswidrige Verhalten zu unterlassen, eine Fortsetzung des rechtswidrigen Verhaltens kann ihm untersagt werden, und/oder es kann angeordnet werden, die entsprechende Maßnahme oder eine Berichtigung in einer oder mehreren nationalen oder lokalen Zeitungen zu veröffentlichen.
Frankreich – Französische Nationalversammlung verabschiedet Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU‑Richtlinie über Verbandsklagen
Am 8. März 2023 hat die französische Nationalversammlung den Gesetzentwurf veröffentlicht, mit dem die EU‑Verbandsklagerichtlinie (RL (EU) Nr. 2020/1828) in nationales Recht umgesetzt werden soll.
Nach der Einführung von Sammelklagen im Jahr 2014 für Verbraucherrechtsstreitigkeiten wurden sie 2016 auf Rechtsstreitigkeiten in den Bereichen Gesundheit, Umwelt, Datenschutz, Antidiskriminierung sowie zuletzt (2018) auf Immobilien ausgeweitet. Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf werden die Möglichkeiten zur Durchsetzung von Rechten mittels Sammelklagen weiter ausgebaut und erstmals verfahrensrechtlich auf eine gemeinsame Grundlage gestellt. Entsprechend den Vorgaben der EU‑Richtlinie werden sie gleichzeitig auch europaweit harmonisiert.
Während die Aktivlegitimation zu derartigen Klagen im Rahmen der bisherigen Verbraucherschutz-Sammelklagenregelung bisher nur auf einen relativ kleinen Kreis von Verbänden beschränkt war, wird sie nun auf ein breites Spektrum von Verbänden erweitert, die entweder in eine bestimmte Liste eingetragen und registriert sein müssen oder aus mindestens 50 natürlichen Personen, mindestens fünf juristischen Personen des Privatrechts, die seit mindestens zwei Jahren im Handels- und Gesellschaftsregister eingetragen sind, sowie Gewerkschaften und – bei Datenschutzverstößen – der Staatsanwaltschaft bestehen. Außerdem sind die in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Einrichtungen klagebefugt; entsprechend werden qualifizierte französische Einrichtungen zur Erhebung grenzüberschreitender Klagen ermächtigt.
Handelt es sich um einen schwerwiegenden Verstoß, können die Verfahrenskosten nach dem neuen Gesetzentwurf dem Staat auferlegt werden, was einen zusätzlichen Anreiz für eine Klageerhebung schafft. Bei Feststellung eines vorsätzlichen Fehlverhaltens der beklagten Partei kann außerdem künftig eine zivilrechtliche Strafe von bis zu 3 % des Jahresumsatzes des jeweiligen Unternehmens verhängt werden.
Der Gesetzentwurf muss nun noch vom Senat verabschiedet werden. Es ist zu erwarten, dass die Zahl der Sammelklagen in Frankreich nach der Verabschiedung des Gesetzentwurfs steigen wird.
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